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Prof. Dr. Christian Driesen - Kritzeln wider Willen

Kann Zeichnen – in seiner experimentellen und entwerfenden Emphase – als eine Form des Widerstands begriffen werden, so lässt sich Kritzeln als enervierende Störung zeichnerischer Gestaltungsprozesse verstehen. Das Formlose jeder Kritzelei bildet das punctum pruriens aller Formbildung. Nicht nur bricht es unaufhörlich in sie ein, verunstaltet die schöne Form, sondern liegt dieser in ihrem Werden immer schon voraus. Am Nullpunkt der Zeichnung entdecken wir die Kritzelei, weniger als etwas, jedoch mehr als nichts: Sie widersteht dem Nichts auf der einen und der Form auf der anderen Seite, sie ist nichts als dieses graphische Widerstehen.

Betrachtet man die Entwicklung zeichnerischen Ausdrucks beim Individuum, so hebt die Zeichnung die Kritzelei auf, Gestaltung folgt auf Entstaltung, Ähnlichkeit auf Unähnlichkeit, Form auf Formlosigkeit. Derlei Aufhebung zeigt aber auch, dass das Widerborstige des Kritzelns im Zeichnen nicht einfach verschwindet, sondern in ihm wie ein Phantom herumgeistert und es immer wieder heimsucht, stört. Psychoanalytisch gesprochen ist die Kritzelei das stets wiederkehrende Verdrängte der Zeichnung, ihr Nichtidentisches.

Ist die Kritzelei bereits an ihrem Beginn notorische Verunbildung – Anverwandlung eines Absolutismus der Wirklichkeit –, so ist sie es erst recht an ihrem Ende: in der Zeichnung, die sie nicht los wird. Dem möchte der Vortrag zunächst mit der Frage nachgehen, warum Gekritzel meist mit negativen Begriffen belegt ist und als Mangel, den es zu überwinden gilt, gefasst wird. Daran anschließend soll das Bild, das wir uns von der Kritzelei machen, insofern kritisiert werden, als sie darin einer Verdrängung seitens des Diskurses unterliegt. Zuletzt stellt sich, die Kritzelei einmal ihrem aufgezwungenen „Selbstbild“ entronnen, das Problem, ob es Kritzelei in der Kunst zu geben vermag oder nicht.

Kostenbeitrag

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Anmeldung

Bitte melden Sie sich über unseren Zoom-Link an: https://us06web.zoom.us/meeting/register/8Mt92Jd-THmxRVuvzkuZcw

Informationen zur Veranstaltung

Beginn 17.03.2025 19:30
Ende 17.03.2025 21:00
Ort online

Redner/Rednerin

Christian Driesen

Prof. Dr.

Christian Driesen, geboren 1977 in Erfurt, Studium der Philosophie und Kulturwissenschaften in Leipzig, Nantes und Bordeaux. Promotion an der Freien Universität Berlin mit der Arbeit Theorie der Kritzelei (Turia + Kant 2016). Seit April 2024 Professor für Transformation und Gestaltung am Fachbereich Design der Hochschule Darmstadt.

Arbeitsschwerpunkte: das Verhältnis von Formlosigkeit und Form im graphischen Feld; Philosophie und Übersetzung; Theoriebildung aus psychopathologischer Perspektive.

Langjährige Tätigkeit als Übersetzer, vor allem philosophischer Theorie.
Demnächst: Catherine Malabou, Hegels Zukunft. Plastizität, Zeitlichkeit, Dialektik (Meiner 2026); Monique Wittig, Der lesbische Körper (Merve 2025).
Zuletzt: Barbara Stiegler, Nietzsche und das Leben (Matthes & Seitz 2025). Félix Guattari, Schizoanalytische Kartografien (Merve 2023); Maurice Blanchot, Das unendliche Gespräch (Turia + Kant 2023).

Web: www.molpee.de