Vorträge
Das IPPK veranstaltet regelmäßig Vorträge, welche allen Interessierten offenstehen. In diesen kürzeren Veranstaltungsformen sollen Philosophie, Psychoanalyse, Kunst und Kulturwissenschaften miteinander in Austausch geraten, um neue Perspektiven zu erschließen.
Folgend finden Sie Hinweise zu den kommenden Vortragsveranstaltungen, je bestehend aus Vortrag und Diskussion. Die Vorträge erfolgen, soweit nicht anders vermerkt, online.
Anmeldungshinweise
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Vergangene Vorträge
30. 09. 2024
19:30 – 21:00, online
Philipp Soldt
Im Sog der Bilder
Einige metapsychologische Überlegungen zum Verhältnis von unrepräsentierten Zuständen, Affektabwehr und psychoanalytischer Reverie
Gerade in Krisen des Kontakts (Will 2023)[1] kommt es in der analytischen Stunde zu ausgeprägten, z.T. auch mitreißend-soghaften Reverien, die oftmals irritierend sind – für die Wiederherstellung des Kontakts zwischen Analytikerin und Patient sowie für das Verständnis des inneren Geschehens jedoch von großem Wert sein können. Im psychoanalytischen Diskurs werden solche Reverien häufig mit sogenannten unrepräsentierten Zuständen in Verbindung gebracht. Diese Arbeit, die sich auf klinisches Material stützt, geht der Frage nach und macht – auf der Grundlage einer erweiterten Theorie der Interaktionsformen nach Lorenzer (1972)[2] und Zepf (1997)[3] – einen Vorschlag, wie solche Zustände metapsychologisch aufgefasst werden könnten. Freud (1894)[4] hatte von einer »energischen und erfolgreichen Art der Abwehr« gesprochen, »die darin besteht, dass das Ich die unerträgliche Vorstellung mitsamt ihrem Affekt verwirft und sich so benimmt, als ob die Vorstellung nie an das Ich herangetreten wäre«. Meinem Vorschlag zufolge zielt diese Art der Abwehr auf die Affekte des Subjekts als den basalen Strukturen des Psychischen, durch die an den jeweils traumatischen Brennpunkten des seelischen Geschehens der assoziative Verkehr des vorbewussten Denkens außer Kraft gesetzt wird. Im Moment der psychoanalytischen Reverie kommt es zu einer stellvertretenden Übernahme dieser verworfenen Denkprozesse: Sie treten an das Ich des Analytikers heran und bilden den Ausgangspunkt für das Weitersprechen am Rand des Unsagbaren.
Philipp Soldt studierte Psychologie in Bremen und war tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität des Saarlandes (S. Zepf) und an der Universität Bremen (E. Reinke) und wurde 2005 promoviert mit einer Arbeit über das »Denken in Bildern«. Er leitete ein DFG-Forschungsprojekt zur Psychoanalyse der ästhetischen Erfahrung. Weiterer wissenschaftlicher Schwerpunkte war und ist die psychoanalytische Konzeptforschung, z.B. zur Theorie der Affekte, zum Primär- und Sekundärprozess und zum Vorbewussten. Nach dem Abschluss seiner Ausbildung 2010 ist er seit 2011 in eigener Praxis in Bremerhaven niedergelassen als Psychoanalytiker. Auswahl Publikationen: (2007). (Hrsg.). Ästhetische Erfahrungen. Neue Wege zur Psychoanalyse künstlerischer Prozesse. Gießen: Psychosozial. (2009). (hrsg. zusammen mit Karin Nitzschmann.). Arbeit der Bilder. Die Präsenz des Bildes im Dialog zwischen Psychoanalyse, Philosophie und Kunstwissenschaft. Gießen: Psychosozial. (2013). (hrsg. zusammen mit Karin Nitzschmann.). Sprach/Bilder. Zur Artikulation des »Unsagbaren« in Psychoanalyse, Literatur und Kunst. Gießen: Psychosozial. (2015). Spielarten der Wahrnehmung. Überlegungen zu medienspezifischen Formen ästhetischer Erfahrung. In: Leikert, Sebastian (Hrsg.). Zur Psychoanalyse ästhetischer Prozesse in Musik, Film und Malerei. Gießen: Psychosozial, S. 97-118. (2019). Die Wiederkehr des Urverdrängten. Das Unheimliche als Ereignis im psychoanalytischen/ästhetischen Feld. In: Bataller Bautista, Isabel et al (Hrsg.). Gegenwart des Unheimlichen – unheimliche Gegenwart. Klinische, ästhetische und gesellschaftliche Perspektiven 100 Jahre nach Freud. Gießen: Psychosozial, S. 51-71. (2024, im Druck). Vorbewusstes und vorbewusste seelische Prozesse. Hauptbeitrag in: Mertens, Wolfgang & Storck, Timo (Hrsg.). Vorbewusstes. Interdisziplinäres Psychoanalytisches Forum, Band 3. Gießen: Psychosozial.
(Foto: Privatbesitz)
15. 07. 2024
19:30 – 21:00, online
Götz Egloff
Vom Ich-Ideal zum Ideal-Ich? Das fraktale Subjekt in der Praxis
Während das „Subjekt“ in der Psychoanalyse in der einen oder anderen Form stets aufrecht erhalten wurde, ist es insbesondere in postmodernen und poststrukturalistischen Ansätzen zumeist aufgekündigt oder als zwar existent, aber marginal konzipiert worden.
Jean Baudrillard hat in seiner postmarxistischen mittleren Phase mit seinen medientheoretischen Schriften, die in den 1980er und 1990er Jahren vor allem in kulturtheoretischen Kreisen rezipiert wurden, nahegelegt, dass das Subjekt, so es noch existieren sollte, unter dem Regime der Bildmedien ohnehin fragmentieren wird. Seine Perspektive, die gewiss zu den pessimistischsten gehört, schien einerseits nicht ganz in den Zeitgeist zu passen, andererseits galt sie dennoch oft als relevant. In denselben Zeiträumen setzte sich vor allem in der deutschen Universitäts-Psychosomatik eine eher interaktionell-interpersonale Psychoanalyse durch, mit respektablen Ergebnissen in der Behandlung von Patienten und Patientinnen.
Spätestens seit der Jahrtausendwende – Julia Kristeva spricht in Die neuen Leiden der Seele bereits 1994 davon – erscheint nun ein neuer Patiententypus in den Praxen, der sich ohne einigermaßen identifizierbare Konflikte mit diffusen, meist somatoformen und funktionellen Störungen vorstellt, Viele Kliniker und Klinikerinnen sprechen nun von strukturellen Störungen, die aber nach wie vor in der biographischen Person veortet werden. Die Frage ist, ob Baudrillard doch zutreffend argumentierte, wenn er für die mediale Postmoderne von einer „Zersplitterung ins Identische“ sprach, in der „Individuen mit variabler Geometrie” lediglich mit Minimaldifferenzen aufwarten und zum „fraktalen Subjekt” werden,
Einige theoretische Überlegungen sollen von Praxisbeispielen ergänzt werden und zur Reflektion über Subjekt-Objekt-Kategorien anregen.
Götz Egloff, Mag., ist Psychoanalytiker, Systemtherapeut und Literaturwissenschaftler. Geschäftsführer des Instituts für pränatale Psychologie und Medizin Heidelberg, psychotherapeutische Praxis in Mannheim. Zwischen 1999 und 2008 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Abteilungen Med. Psychologie und Familientherapie der Psychosomatischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg sowie am Institut für Kinderpsychotherapie Heidelberg, zudem Studientherapeut im Bulimieprojekt Heidelberg-Göttingen 2007-2010. Er ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG).
(Foto: Privatbesitz)
24. 06. 2024
19:30 – 21:00, online
Christine Blättler
Zum philosophischen Problem mit der Geschichte
Die akademische Philosophie hat sich mit guten Gründen von Geschichtsteleologien verabschiedet. Sie findet sich allerdings konfrontiert mit der praktischen Wirkmacht historischer Großerzählungen in der Weltpolitik einerseits, und mit einer weithin über Niedergangserzählungen artikulierten Fortschrittskritik andererseits. Der Vortrag widmet sich dem Fragen nach der Geschichte nicht im Rahmen der praktischen Philosophie, sondern adressiert aus theoretischer Perspektive Formfragen und einen geschichtsphilosophischen Problemkern. Mit Blick auf das vielzitierte «Ende der großen Erzählungen» stellt der Vortrag geschichtsphilosophische Problemstellungen bei Hannah Arendt und Walter Benjamin zur Diskussion.
Christine Blättler ist seit 2011 Professorin für Wissenschaftsphilosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Studium von Medizin (Physikum), Philosophie und Slawistik in Bern, Fribourg und Osteuropa; Fellow in Berlin (ZfL), Stanford, Wien (IWM) und Weimar (IKKM), Gastprofessur an der Universität Wien. Sie arbeitet zu kulturphilosophischen Fragen von Wissenschaft, Technik und Kunst.
Neuere Veröffentlichungen u.a.: Kultur und Kritik, in: Y Zeitschrift für atopisches Denken. Philosophie - Psychoanalyse - Kulturwissenschaften 2024, 4(3); Hannah Arendt und die Frage nach der Geschichte, Nachwort, in: Hannah Arendt, Macht und Gewalt, München: Piper 2024; Sorge und Welt: Blumenberg versus Heidegger, in: Archiv für Begriffsgeschichte, 65.2, 2023; Theoretische Neugierde. Horizonte Hans Blumenbergs, Allgemeine Zeitschrift für Philosophie, Beiheft 2, 2023 (hg. mit R. Köhne, A. Messner); Angst und Freiheit. Theoretische und künstlerische Positionen, Würzburg: Königshausen & Neumann 2023 (hg. mit P.M. Meyer); Der Gesandte. Alexandre Kojèves europäische Missionen, Leipzig: Merve 2022 (Hg.); Benjamins Phantasmagorie. Wahrnehmung am Leitfaden der Technik, Berlin: Dejavu 2021.
13. 05. 2024
19:30 – 21:00, online
Ute Müller-Spiess
Psychosen
Verrückt werden ist etwas anderes als verrückt sein. Niemand ist nur in der Neurose, niemand nur in der Psychose.
Die psychotische Abwehr gegen die unerträgliche Vorstellung der Kastrationserfahrung, eines drohenden Mangels, ist ein viel energischerer, gewissermaßen radikalerer Mechanismus als der der Neurosen. Der Preis dafür ist die psychotische und halluzinatorische Verwirrung. Das innerlich Verworfene kommt von außen wieder, schreibt Freud 1910 in seinen „Psychoanalytischen Bemerkungen über einen autobiographisch beschriebenen Fall von Paranoia“, den Patienten Dr. Schreber. Lacan widmet in seiner Arbeit „Über eine Frage, die jeder möglichen Behandlung einer Psychose vorausgeht“ einen Großteil seines Seminars Dr. Schreber und dessen Buch, „Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken.“ Eine Psychose ist, wenn der Andere die Initiative übernimmt. Dr. Schreber, paranoid-psychotisch geworden, sucht mittels des Gesetzes Gottes seine Orientierung, seinen Sinn im Symbolischen wieder zu finden. Er flieht nicht vor dem Anderen sondern ist dermaßen verwoben, dass er sich für dessen Mittelpunkt hält, ja, ihn regelrecht inkorporiert. Der schizophren-psychotische Mensch verliert hingegen den Sinn in seiner Beziehung zum Anderen. Sie ist eine Leere geworden. Sein symbolisches Universum ist latent im Untergehen. Er flieht die Welt, wenn es ihm nicht möglich ist, mit einem Rest im Wahn erfinderisch zu werden.
Ute Müller-Spiess, Dr. med. Fachärztin für Psychiatrie, Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und Internationalen psychoanalytischen Vereinigung (WPV, IPV), Mitglied der Neuen Wiener Gruppe/Lacan Schule, Psychoanalytikerin in freier Praxis. Psychoanalytische und klinische Seminare in Wien, Berlin und Nizza. Publikationen aus Freud’scher und Lacan’scher (Strukturanalytischer) Sichtweise zu klinischen und sozialpsychiatrischen Themen.
(Foto: Privatbesitz)
29. 04. 2024
19:30 – 21:00, online
Melanie Reichert
Sterben lernen? Mit Lukrez und Vilém Flusser zur Thanatologie der digitalen (Post-)Moderne
Die Texte des Technikphilosophen Flusser problematisieren Leiblichkeit und Sterben mit Blick auf die Implikationen digitaler Technologien. Grundlage bildet eine Kosmologie des Digitalen, die an die antike Atomtheorie des Lukrez anknüpft: Für Flusser besteht das Universum der künftigen Gesellschaft nicht mehr aus Volumina – bspw. Leibern und Naturdingen – sondern nur noch aus Punkten, die die Welt kalkulierbar und komputierbar machen. In einer solchen Welt wird es nahezu unmöglich, Sterben und Tod jenseits von Fragen der Problemlösung oder des Managements zu thematisieren. Sterben wird mehr und mehr als Abschalten eines Computers verstanden. Die Endstufe dieser Entwicklung sieht Flusser in der Etablierung der Euthanasie: Körper, die die digitale Erschaffung und Zirkulation von Informationen stören, also ›defekt‹ sind, werden »abgeschaltet«.
In seinem Lehrgedicht »Über die Natur« trägt Lukrez die Zeitdiagnose vor, dass die Krisen, die die antike römische Gesellschaft in Form von Krieg, Neid und Gier heimsuchen in einem falschen Verhältnis der Subjekte zum Tod wurzeln. Über die Einsicht in die wahre Natur der Dinge ergibt sich, so die Hoffnung Lukrez’, eine tröstende Intimität mit der Welt, die in der lustvollen Erkenntnis der Kostbarkeit allen Lebens gipfelt.
Der Vortrag stellt das Universum, das Lukrez im Rahmen seiner thanatologischen Didaktik entwirft, als radikal materialistische Gegenwelt zu Flussers Fabel vor. Dabei soll insbesondere Flussers Interpretation von Zufall und Berechenbarkeit mit Lukrez einer kritischen Relektüre unterzogen werden. Darüber hinaus wird die Rolle der Künste beleuchtet, da beide hier spezifische Potentiale für die von ihnen aufgewiesenen Probleme sehen: Für Lukrez kann die Poesie die mit der Einsicht in die eigene Sterblichkeit einhergehende Spannung von Daseinslust und notwendigem Betrauern erlebbar machen. Für Flusser kann die Kunst der digitalen Räume – verstanden als Verklammerung von Bild und Musik – zur ambivalenten »Feierlichkeit« eines bewusst geträumten Lebens hinführen. Ziel des Vortrags ist es, mit Lukrez und Flusser nach den Bedingungen zu fragen, unter denen die Gewissheit des Todes in einer weitgehend säkularen technowissenschaftlichen Gesellschaft ertragbar wird.
Melanie Reichert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Philosophischen Seminar der Universität Kiel und stellvertretende Direktorin des IPPK. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Kulturphilosophie, Ästhetik und Wissenschaftsphilosophie. Sie arbeitet immer wieder in Kooperationen im Kunstkontext. Derzeit forscht sie zur Thanatologie der Postmoderne sowie zur Ästhetik und Epistemologie des Mangels.
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18. 03. 2024
19:30 – 21:00, online
Marc Heimann
Freuds Sprache im Spiegel großer Sprachmodelle
Der Vortrag diskutiert die überraschende Parallelität zwischen Sigmund Freuds Analysen der assoziativen Struktur der Sprache und der Architektur von Large Language Models (LLM) wie ChatGPT. An letzteren lässt sich nicht nur zeigen, dass sich auf der Basis von Verdichtung und Verschiebung oder Metonymie und Metapher die meisten logischen Operationen als Erinnerungsmuster begründen lassen. Auch die Freud`sche Annahme, dass Sprache, wie sie im Unbewussten vollzogen wird, in ihrer logischen Struktur keine Negation kennt, spiegelt sich in modernen KI-Anwendungen wider. Daraus lässt sich einerseits ein erhellender Einblick in diese These Freuds gewinnen und andererseits die besondere Rolle der Negation, wie sie von Jacques Lacan herausgearbeitet wurde, erfassen. Schließlich demonstrieren LLMs praktisch, dass eine universelle Grammatik, wie sie etwa Noam Chomsky denkt, auf Gedächtnismuster der Verdichtung und Verschiebung reduzierbar ist, da sie aus Mustern assoziativer Wortverbindungen (tokens) selbst brauchbaren Computercode erzeugen können. Ohne explizit auf Freud zurückzugreifen, hat die moderne Informatik so die Kohärenz und Anwendbarkeit Freudscher Konzepte demonstriert, die heute erfolgreicher als prädikative Sprachkonzepte moderne künstliche (Sprach-)Intelligenz ermöglichen.
Marc Heimann, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Niederrhein. Er hat in Münster Philosophie studiert und dort über das Spätwerk Martin Heideggers mit der Monographie Die Logik des Streites promoviert. Aktuell forscht er im interdisziplinären Projekt „Public Understanding of AI“ und hat in Human Studies und dem International Journal of Psychoanalysis veröffentlicht.
(Foto: Privatbesitz)
11. 03. 2024
19:30 – 21:00, online
Peer Zickgraf
Rassistische Herrschaftszeiten und der globale "Menschenzoo": Der große Umzug von der Polis in die Zoopolis
Schwierige Zeiten, Umbruchs-Zeiten gar (die 2. Große Transformation), werfen bekanntermaßen ihre Schatten voraus: Schatten oder große Stürme wecken die Furcht vor den destruktiven Kräften von technologischen und ideologischen Mächten – und natürlich auch die Furcht vor menschlicher Ohnmacht. Aufgrund der abrupten Verschiebung der globalen Parameter beschleunigen sich in stürmischen – krisenhaften – Zeiten bekanntlich die Ereignisse: Es kommt zu wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen, gesellschaftlicher Desintegration und verallgemeinerter kultureller Krise. Neue Ideologien ersetzen die alten ideologischen Formate, ohne deswegen alten Ideologien vollständig zu ersetzen. Dieser Prozess spielt sich – so die These dieses Vortrags – sich im Rahmen der Ideologiemaschinen des Rassismus als Menschenzoo ab. Die zentrale Frage- und Problemstellung dieses Vortrags lautet: Verweisen die aktuellen gesellschaftlichen und politischen (multidimensionalen) Krisen auch auf einen bislang übersehenen wissenschaftlichen Gegenstand? Mit welcher Berechtigung kann dieser Gegenstand theoretisch und empirisch als Rassismus als Menschenzoo konstituiert werden? Gibt es im Rahmen des Rassismus als Menschenzoo eine historische Kausalität, gar einen Wiederholungszwang? Welche ideologische Funktion haben die rassistischen Grenzregime (und die kulturellen) Zoologiken für den Rechtspopulismus bzw. die extreme Rechte? Und welche Zukunft hat die politiktheoretische und psychoanalytische Erforschung historischer und gegenwärtiger komplexer Krisen angesichts der Bedrohung offener und demokratischer Gesellschaften? Die Forschungslandschaft ist immer auch ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung und ihrer Probleme. Wo es gesellschaftliche Probleme gibt, da sind demzufolge auch Probleme der Forschung mit im Spiel. Im Endeffekt ist die Forschung auch ein politisches Problem. Der Vortrag konzentriert sich auf mehrere Fallbeispiel (USA, Brasilien, Europa, Russland) und verweist auf die Dialektik von „Menschenzoo“ und „Zoopolis“. Das Ziel des Vortrags ist es, grundlegende Aspekte der planetarischen Gefährdung (Klimawandel) aufzuzeigen und mittels des Grundbegriffes "Rassismus als Menschenzoo" den Klimawandel innerhalb der Demokratien (und in den Köpfen) politologisch und psychoanalytisch aufzuspüren und einem innovativen Erklärungsansatz zuzuführen. Gefährdet der gegenwärtig vor unser (aller) Augen ablaufende große Umzug von der Polis in die Zoopolis die Grundfesten des Westens – und welche Entwicklungstendenz kann für die Demokratien weltweit daraus gefolgert werden?
Peer Zickgraf, Diplom-Politologe und Doktorand, Autor und freier Journalist, pädagogischer Mitarbeiter/Dozent der Deutschen Angestellten-Akademie GmbH, Duisburg. Seit dem Jahr 2000 Publikationen zum Thema „Menschenzoo“ unter der Fragestellung, wie populäre Bilder des Fremden von der Völkerschau (1874-1932) bis heute („Liquid Human Zoo“) dem Rassismus zugeführt wurden. Aktuell ist dazu eine Promotion vor ihrem Abschluss. Von 2000 bis 2004 war er Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaften der Universität Marburg sowie bei der Cologne Business School. 2021 freier Dozent/ Lehrbeauftragter der Internationalen Hochschule (IU) im Bachelorstudium Soziale Arbeit. Seit 2021 Mitglied des IPKK-Forschungskolloquiums. 2017 Gründung des Talentnetzwerks, um ein psychoanalytisches Coaching und Bewerbungstraining für Arbeitsuchende zu entwickeln. Von 2003 bis 2011 verantwortlicher Redakteur des Ganztagsschulportals des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). 2003 bis 2006 Redakteur von Bildung Plus – Online-Plattform für die Bildungsreform in Deutschland (parallel zu seiner Tätigkeit für das Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung). 2004 war er Mitbegründer und später Geschäftsführer des Netzwerks freier Kulturjournalisten und des Onlinemagazins Einseitig.info, wo er als Schwerpunkt über die Auswirkungen der Hartz-IV-Reform, Armut, Dritte Welt und Erinnerungspolitik nach der Shoa publiziert hat. In diesem Zusammenhang war er auch Mitglied der Jury des Joseph-Heinrich-Colbin-Preises (Kurzgeschichten). Er gehört auch zum Gründungsnetzwerk der ersten „Inklusiven Universitätsschule“ der Universität Köln.
(Foto: Privatbesitz)
15. 01. 2024
19:30 – 21:00, online
Lutz Götzmann
Über die allmähliche Verfertigung der (absoluten) Idee – Vorschläge zur borromäischen Funktionsweise des Geistes
Eine interdisziplinär verstandene Psychoanalyse eignet sich in einer ganz besonderen Weise dafür, den Materialismus der Neurowissenschaften mit idealistischen Positionen der Philosophie zu verbinden. In meinem Vortrag entwickle ich eine Art Panorama, in welchem Hegels Vorstellung, dass das Ideelle die ideelle (d.h. geistige, psychische) Seite der Materie, und die Materie die materielle (d.h. natürliche, körperliche) Seite des Ideellen sei, eine ebenso einfache wie fundamentale Sicht auf das Verhältnis von Körper und Geist bietet. Auf der Seite des Ideellen entfalten sich die Lacanschen Register des Realen, Imaginären und Symbolischen, die um die Dimension der Atmosphäre und die Qualität des Phänomenalen (d.h. des Nicht-Sprachlichen) erweitert werden sollten. Ich beschreibe vor diesem Hintergrund einen dialektischen Prozess, der in einem solchermaßen entfalteten Raum-Zeit-Gefüge stattfindet und sich bis zur Ausbildung der absoluten Idee, d.h. des reinen Denkens, im symbolischen Register fortsetzt. In einer zirkulären Bewegung kehrt dieses Denken aber zum Realen zurück, das die real-ideelle Seite der sich jeder unmittelbaren Erkenntnis entziehenden Materie ist. Ein solches zirkuläres Vorwärtsgehen lässt sich auch im Verlauf der analytischen Kur erkennen.
Lutz Götzmann, Prof. Dr. med. Psychoanalytiker (SGPsa / IPV), tätig in eigener psychoanalytischer Praxis in Berlin. - Studium der Medizin in Homburg / Saar, psychoanalytische Ausbildung am Freud-Institut Zürich und Habilitation am Universitätsspital Zürich. 2011 – 2020 Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Bad Segeberg, seit 2014 APL-Professur an der Universität zu Lübeck. Mitbegründer des Instituts für Philosophie, Psychoanalyse und Kulturwissenschaften (IPPK) und Mitherausgeber der Zeitschrift „Y – Zeitschrift für Atopisches Denken“. Zahlreiche Publikationen zur psychoanalytischen Psychosomatik.
(Foto: Privatbesitz)
4. 12. 2023
19:30 – 21:00, online
Georg Northoff
Neuropsychoanalyse und Bewusstsein
Was ist Bewusstsein? Was ist das Unbewusste? Und wie hängen beide mit dem Gehirn zusammen? Mein Vortrag greift sowohl konzeptuelle als auch empirische Fragen auf und beantwortet sie mit einem neuem Modell von Geist und Gehirn. Das Bewusstsein kann durch seine räumlichen und zetilichen Strukturen characterisiert werden, die in analoger Organisation in den zeitlichen und räumlichen Mustern des Gehirns realisiert werden. Dies fuehrt zu der „Temporo-spatial theory of consciousness“ (TTC) deren neuronale Grundlagen und psychodynamischen Implikationen im Vortrag erläutert werden.
Georg Northoff, MD, PhD ist EJLB-CIHR Michael Smith Chair in Neurosciences and Mental Health und hat einen Canada Research Chair für Mind, Brain Imaging and Neuroethics am University of Ottawa Institute of Mental Health Research (IMHR) inne. Seine Erstausbildung in Medizin/Psychiatrie und Philosophie absolvierte er in Deutschland. Zu Dr. Northoffs früheren akademischen Positionen gehörten Professuren an der Universität Magdeburg (Deutschland) und der Harvard University (USA). Mit über 100 wissenschaftlichen Veröffentlichungen liegt sein aktueller Fokus hauptsächlich auf dem Selbst – nachdem er das Konzept der kortikalen Mittellinienstrukturen entwickelt hat. Die experimentelle Forschung in seiner Abteilung konzentriert sich auf die funktionellen und biochemischen Mechanismen, die unserem Selbstbewusstsein sowohl bei gesunden Probanden als auch bei psychiatrischen Patienten zugrunde liegen. Neben der Neurobildgebung beschäftigt er sich auch mit neuroethischen Fragestellungen. Schon früh untersuchte er Fragen der persönlichen Identität bei Patienten mit tiefer Hirnstimulation und Hirngewebetransplantation. Ein weiterer neuroethischer Schwerpunkt liegt auf dem Einfluss von Emotionen und Empathie auf die Entscheidungsfindung im Rahmen der Einwilligung nach Aufklärung, was insbesondere für psychiatrische Patienten von Bedeutung ist. Schließlich passen diese Themen gut zu seinem tiefen Interesse an der Disziplin der Neurophilosophie. Er gilt als einer der wichtigsten Begründer der europäisch-kontinentalen Seite, wie mehrere Aufsätze und Bücher belegen, darunter „Philosophy of the Brain“ (2004). Sein neuestes Buch über das Selbst richtet sich an ein breites Publikum, in dem er die neuesten neurowissenschaftlichen Ergebnisse und neurophilosophischen Überlegungen in den Rahmen eines Kriminalromans fasst.
Zwei relevante Bücher aus dem Jahr 2023:
Neurowaves: https://www.mqup.ca/neurowaves-products-9780228017615.php?page_id=121425&
Neuropsychoanalysis: https://www.routledge.com/Neuropsychoanalysis-A-Contemporary-Introduction/Northoff/p/book/9780367678074
(Foto: Privatbesitz)
30. 10. 2023
19:30 – 21:00, online
Sara Minelli
Gibt es echte und falsche Mythen? Den Mythos als politische Erfahrung denken.
Der Mythos wurde in der modernen (Mythos-)wissenschaft als eine archaische oder „primitive“ Realität konstruiert, zu der nur noch der Wissenschaftler mit seiner Gelehrsamkeit Zugang hatte. Gerade aufgrund dieser scheinbaren Distanz zwischen der modernen Gesellschaft und dem Mythos wurde dieser gleichzeitig zum romantischen Sehnsuchtsgegenstand, wenn nicht sogar versucht wurde, ihn politisch zu „verwirklichen“– wie im Faschismus und Nationalsozialismus. Verständlich, dass der Mythos in der Kritischen Theorie oft als Synonym für Herrschaft und Verblendung betrachtet wird. Mythologen wie Karl Kerényi haben ihrerseits sorgfältig zwischen „echtem“ und „technisiertem“ bzw. politisiertem Mythos unterschieden. Doch ist Mythos jemals vollständig von seiner sozialen und politischen Dimension zu trennen? Und ist diese immer herrschaftsförmig? Wenn der Mythos nicht nur eine Erzählung, sondern auch Ausdruck einer (kollektiven) schöpferischen Kraft ist, verweist er zugleich auf eine politische Erfahrung – so zumindest der italienische Autor Furio Jesi. Für ihn weist die kollektive politische Praxis auf ein Moment hin, das dem Entstehen des Mythos ähneln könnte, jedoch nichts mit den nationalsozialistischen Mythologien gemein hat. Dennoch ist diese Erfahrung auch von Ambivalenzen geprägt und droht ständig, in dogmatischer Tradition bzw. Legitimation des Bestehenden zu erstarren. Kann der Mythos als eine wichtige Komponente der politischen Praxis betrachtet werden oder besteht die Gefahr, dass er zu einer gefährlichen Mystifikation wird?
Sara Minelli ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Sie hat 2022 zu „Politiken des Mythos im 20. Jahrhundert zwischen Faschismus und Kritik“ an der École des Hautes Études en Sciences Sociales (Frankreich) promoviert. Derzeit übersetzt sie Mito (1979) von Furio Jesi aus dem Italienischen ins Französische.
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11. 09. 2023
19:30 – 21:00, online
Dominik Finkelde
Fantasie-Ermüdung. Über Schuld und Scham im Zeitalter umkämpfter Demokratie
Guy de Maupassant beschreibt in seiner Novelle Sonntage eines Pariser Bourgeois (1880) die Lust von Männern, den französischen Monarchen „in Bartschnitt, Frisur und der Form des Gehrocks nachzuahmen“. Als jedoch die Republik ausgerufen wurde, bedeutete das eine Katastrophe. "Die Republik hatte keine greifbare, lebendige Persönlichkeit, der man sich anpassen konnte, und da die Präsidenten schnell aufeinander folgten“ gerieten die Bürger „in eine schreckliche Niedergeschlagenheit. Sie sahen sich in ihrem Wunsch, nachzuahmen, gehemmt.“ Maupassant weist hier auf eines der Kernprobleme moderner Demokratien hin. Denn wenn die Demokratie eine Entkörperlichung und Entmystifizierung darstellt, wie sie von C. Lefort, M. Gauchet, E. Santner und anderen beschrieben wird, und wenn - nach der symbolischen wie physischen Hinrichtung des Königs - der ehemalige Platz des Königs leer bleiben soll, dann scheint es unmöglich, sich mit etwas anderem als dem demokratischen Konflikt selbst zu identifizieren. Eine neue Schuld und Schamstruktur verbreitet sich im Psychogramm moderner Subjekte. Sie sollen sich schämen, Versuchungen von rechtskonservativen Bewegungen (von Trump bis AFD) zu erliegen, und sind gleichzeitig aufgerufen, die Demokratie aufgrund ihrer "leeren Mitte" lieben zu müssen.
Dominik Finkelde SJ ist Professor für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuesten Zeit an der Hochschule für Philosophie München. Zuletzt erschien sein Buch: "Das Objekt, das zu viel wusste. Eine Einführung in die Philosophie nach Lacan" (Wien: Turia & Kant 2022).
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28. 08. 2023
19:30 – 21:00, online
Michael Meyer zum Wischen
Geniessen und Selbstverstümmelung – bei Bataille mit Lacan
Georges Bataille hat 1930 in Antwort auf die Theorie der Selbstverstümmelung seines Analytikers Adrien Borel einen eigenen Zugang zu ihr gefunden, der weniger die narzisstische Ebene des Geschehens betont als die des Geniessens. Lange vor Lacans Konzeptualisierung schuf er in einer Art verstümmelnder Attacke auf den Text seines Analytikers etwas Neues: eine Vorwegnahme von Lacans späterem Objekt a, als nicht symbolisierbaren und imaginär nicht fassbaren Rest, als Objekt-Grund der Subjektivierung. Bataille als philosophischer Denker erweist sich hier als pointierter Kliniker der Psychoanalyse und zugleich als exquisiter Theoretiker, wie später der Psychiater und Psychoanalytiker Lacan auf die Philosophie und Literatur zurückgreifen kann, die er ausserdem neu zu lesen weiss. Lacan entreißt dabei dem Freund Bataille sein Bestes und verstümmelt in einer neuen Wendung dessen Text. Klinische Beispiele in der Diskussion sind willkommen! Die These wäre: Indem sie sich verstümmeln, produzieren Philosophie und Psychoanalyse einen neuen Rest, mit dem sich etwas machen lässt.
Michael Meyer zum Wischen, Dr. med., Arzt und Psychoanalytiker, Gruppenanalytiker. Praxis in Hamburg. Verschiedene Lehrtätigkeiten zur Klinik der Psychoanalyse, Veröffentlichungen besonders auch zum Verhältnis von Psychoanalyse und Literatur (Duras, Bataille, Doolittle, Roth), Mitherausgeber von Y – Zeitschrift für atopisches Denken.
(Foto: Privatbesitz)
03. 07. 2023
19:30 – 21:00, online
Dzvinka Kechur und Roman Kechur
Die Ukraine als psychoanalytisches Feld - aktuelle Berichte aus Lemberg / Lviv
Live Gespräch (online) mit Prof. Dr. med. Roman Kechur, Professor für Psychosomatische Medizin, Universität Lviv, und Dzwinka Kechur (Psychoanalytikerin, IPV) über die Lage der Psychoanalyse und der Psychoanalytike:innen in der UIkraine sowie über den gegenwärtigen Krieg aus analytischer Sicht.
Moderation: Barbara Rüttner, Hamburg, und Lutz Götzmann, Berlin
Übersetzung: Olga Grytska, Berlin
Ausgehend von Freuds Briefwechsel mit Albert Einstein darüber, was Krieg ist, wollen wir mit unseren ukrainischen Freunden und Kollge:innen ins Gespräch kommen über die gegenwärtige Situation in der Ukraine aus Sicht dort praktizierender Psychoanalytiker:innen. Mögliche Themen sind die aktuelle Lage der Menschen in der Ukraine, die Arbeitsbedingungen für Psychoanalytiker:innen und die Erfahrung mit gegenwärttigen Psychotherapien und Psychoanalysen, so etwa die Frage der Übertragung und Gegenübertragung, aber auch des Contaings und Holdings im Krieg. Hinter allem steht die Frage nach der Gewalt. – Nach diesem Eingangs-Gespräch wird die Diskussion für Fragen und Beiträge seitens des Publikums eröffnet. Die Diskussion findet in deutscher Sprache mit live-Übersetzung statt.
Dzvinka Kechur, Doctor-psychotherapist, psychoanalyst of the Ukrainian Psychoanalytic Society (UPS), member of the International Psychoanalytic Association (IPA), training therapist and supervisor of the UCP (ECPP), USP, group psychoanalyst of the EAP. Place of work – psychotherapist at "St. Paraskeva Medical Center" (Lviv), private psychoanalytic practice (Lviv). Organizer of the 8-year international theoretical and supervisory project "Psychoanalytic traditions of Europe and America: common context, national differences", (2007-2015); the international four-year theoretical and supervisory project "Psychosomatic medicine and modern psychoanalysis. At the intersection of ability and powerlessness ", (2015-2019); the international educational five-year project on psychosomatic medicine and psychoanalysis "Psychosomatic medicine – the art of the possible", (2020-2025), which is supervised and certified by the German Society for Psychosomatics.
Roman Kechur, MD. Ph.D, Head of the Department of Psychology and Psychotherapy of the Ukrainian Catholic University, psychiatrist, psychoanalyst, teaching therapist and supervisor of the Ukrainian Union of Psychotherapists and the European Confederaon of Psychoanalyc Psychotherapies, Chairman of the Training Council and Secretariat of the Ukrainian Union of Psychotherapists. President of the Ukrainian Confederaon of Psychoanalyc Psychotherapies, Chairman of the Board of the Ukrainian Psychotherapeuc University.
(beide Fotos: Privatbesitz)
19. 06. 2023
19:30 – 21:00, online
Ginger Kokorin
Die Enthüllung des Fleisches: Zur Dialektik der Nacktheit bei Sartre
Der Vortrag beschäftigt sich mit der Nacktheit des Körpers, nachdem die Hüllen bereits gefallen sind. Als unüberschreitbare Grenze zwischen mir und dem Andern ist die Enthüllung der nackten Haut nämlich nur ein Zwischenziel für die Begierde. Diese macht an der nackten Haut nicht halt, denn die Haut ist nicht nur enthüllt, sie ist zugleich selbst wieder Hülle; zudem ist sie sogar enthüllend. Gerade diese letzte Wendung stellt Sartre in Das Sein und das Nichts in den Vordergrund: Für ihn liegt das Ziel der Begierde in einer „doppelten wechselseitigen Fleischwerdung“, die sich an der magischen Grenze der nackten Haut vollzieht, und die mir mich selbst über den Umweg des Andern zu enthüllen vermag.
Ginger Kokorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fach Philosophie an der Universität Siegen am Lehrstuhl für Anthropologie, Kultur- und Sozialphilosophie. Derzeit arbeitet sie an einem Promotionsprojekt zur Erotik der Kultur.
(Foto: Privatbesitz)
15. 05. 2023
19:30 – 21:00, online
Philipp Thomas
Transformation als Schlüsselbegriff. Drei Begriffe von Philosophie als transformativer Praxis: Selbstkultivierung, Selbstartikulation und Weisheit geteilter Endlichkeit
Der Begriff der Transformation beerbet einerseits den Begriff des gesellschaftlichen Fortschritts, heute auch kritisch im Sinne der nötigen Lebensstiländerung oder identitätspolitisch gegen die westliche Moderne. Andererseits knüpft er an den alten deutschen Begriff der Bildung an und bietet hier Alternativen zu verkürzten Bildungsbegriffen (wie z.B. Informiertheit; Kompetenzzuwachs etc.). Im therapeutischen Bereich lässt sich an diesem Begriff auch die Frage möglicher Ziele einer Therapie festmachen. Eine Schlüsselstellung scheint 'Transformation' nach und nach in der Philosophie einzunehmen, dies ist der Schwerpunkt des Vortrags: Als Kritik an einer verwissenschaftlichen Philosophie, die allein auf rationales Argumentieren und die Beurteilung von Aussagen zielt (Frage nach Richtigkeit) und als Gegenentwurf im Sinne einer vernünftigen transformativen Praxis unseres Denkens und unseres Lebens (Frage nach dem Guten).
Zum einen gibt es in Europa wie in Asien die lange Tradition der Selbstkultivierung, in welcher Vernunft transformativ auf eine ethisch bessere Existenz gerichtet ist (1.). Zum anderen gibt es, prominent seit Nietzsche und Foucault, die jüngere Tradition, bei der Vernunft wesentlich auf Selbstartikulation zielt, welche einer jeweils bestehenden Normalität ihre alleinige Geltung bestreitet. Dabei transformiert sich Vernunft immer wieder selbst, indem erweitert wird, was ins Denken einzubeziehen ist (2.). Schließlich gibt es die lange und ebenfalls interkulturelle weisheitliche Tradition, in der Vernunft sich ihrer prinzipiellen Grenzen bewusst wird und sich dabei transformativ öffnet für ihr Anderes, etwa für nichtszientifisches Wissen oder für Praktiken der Solidarität und Liebe (3.).
Philipp Thomas, Prof. Dr. phil., ist Professor für Philosophie/Ethik an der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Promotion bei Gernot Böhme zu Natur- und Leibphilosophie, Habilitation bei Thomas Rentsch zu Subjektivität und Negativität.
Letzte Buchveröffentlichungen: Von der Tiefe des Lebens. Ein Wörterbuch der Melancholie (2020), Bildungsphilosophie für den Unterricht. Kompetente Antworten auf große Schülerfragen (2021), derzeit Buchprojekt: Die andere Hälfte der Vernunft. Philosophie als transformative Praxis (2024/2025).
(Foto: Privatbesitz)
17. 04. 2023
19:30 – 21:00, online
Oliver Precht
Was heißt: sich im Sehen orientieren? Merleau-Pontys Politik der Wahrnehmung
Merleau-Ponty wird weithin als Theoretiker der Wahrnehmung, als Phänomenologe des Leibes gelesen und rezipiert. Nicht minder wahr ist jedoch, dass sich sein gesamtes Denken um ein politisches Projekt dreht, das man in einer ersten Annäherung als einen sehr undogmatischen, ›existentialistischen‹ Marxismus beschreiben könnte. Ausgehend von seinem 2023 erscheinenden Buch über das Thema zeichnet Oliver Precht die Grundzüge von Merleau-Pontys »Politik der Wahrnehmung« nach, die sich in Äquidistanz zu einer revolutionären »Politik der Vernunft« und zu einer liberalen »Politik des Verstandes« herausbildet.
Weil das zentrale Problem, die ›Sache‹ seines Denkens in einer vielschichtigen und unauflösbaren ›Verflechtung‹ besteht – in einer Verflechtung in das Gesehene, Gesprochene, Gedachte, in die Geschichte der Menschheit und die unseres Planeten –, kann Merleau-Pontys Werk als eine Arbeit an den philosophischen Grundlagen einer linken Politik im Zeitalter des Anthropozäns gelesen werden. Es gibt eine philosophische Politik zu erkennen, die nicht in Dogmen oder Prinzipien, auch nicht in einer Methode im strengen Sinn, sondern vielmehr in der radikal gemachten Orientierung Halt findet. Sich in der Welt zu orientieren, das reicht für Merleau-Ponty, um eine kohärente und radikale Politik zu entwickeln.
Oliver Precht arbeitet als Philosoph und Literaturwissenschaftler am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, wo er ein Forschungsprojekt zum Thema »Marx in Frankreich: Die Selbstbestimmung der französischen Theorie (1945–95)« verfolgt. Er ist Mitherausgeber der Buchreihe Neue Subjektile im Verlag Turia + Kant und arbeitet gelegentlich als Übersetzer und Herausgeber philosophischer, literarischer und politischer Schriften vor allem aus dem Brasilianischen und Französischen. Seit 2022 leitet er eine Institutspartnerschaft zwischen dem Centre Marc Bloch in Berlin und der Universidade de São Paulo (USP), die sich unter dem Titel »Paradoxes of Emancipation« mit den Herausforderungen einer »postfaktischen« Gegenwart für emanzipatorische Politik beschäftigt.
Zu seinen Veröffentlichungen zählen Der rote Faden. Maurice Merleau-Ponty und die Politik der Wahrnehmung, Berlin: August 2023; Heidegger. Zur Selbst- und Fremdbestimmung seiner Philosophie, Hamburg: Meiner 2020; »Weltverlust und Selbstbehauptung. Politische Ökologie und politische Philosophie bei Bruno Latour«, in: Selbstverlust und Welterfahrung. Erkundungen einer pathischen Moderne, hg. v. Björn Bertrams u. Antonio Roselli, Wien / Berlin: Turia + Kant 2021, S. 69-89; »Aplomb. Zur politischen Haltung von Derridas Philosophie«, mit Johannes Kleinbeck, in: Jacques Derrida, Was tun – mit der Frage »Was tun«?, übers. v. Johannes Kleinbeck u. Oliver Precht, Wien / Berlin: Turia + Kant 2018, S. 107-134.
(Foto: Privatbesitz)
20. 02. 2023
19:30 – 21:00, online
Marc Heimann
Der Spiegel-Operator: Identität und Differenz in den Formeln des Phantasmas
Der Vortrag untersucht den Lacan'schen Spiegel als einen logischem Operator. Als eine erste Annäherung an dieses Element der Logik des Unbewussten, diskutiert der Vortrag die Formeln des Phantasma, die Lacan in seinem Seminar X Die Angst als Beispiel für die Nutzung dieses Operators vorstellt. Die Formeln sind durch ein hohes Maß an Komplexität gekennzeichnet, wodurch mehrere Elemente des Lacan'schen Denkens miteinander verknüpft werden. In der Lacan'schen Theorie lassen sie eine eindeutige Beziehung zu den Invertierungen des Möbiusbands als auch zur Kreuzhaube erkennen und ermöglichen einen tieferen Einblick in die weithin verwendete Metapher des Spiegels.
Marc Heimann, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Niederrhein. Er hat in Münster Philosophie studiert und dort über das Spätwerk Martin Heideggers mit der Monographie Die Logik des Streites promoviert. Aktuell forscht er im interdisziplinären Projekt „Public Understanding of AI“ und hat in Human Studies und dem International Journal of Psychoanalysis veröffentlicht.
(Foto: Privatbesitz)
30. 01. 2023
19:30 – 21:00, online
Hilmar Schmiedl-Neuburg
Das Nichtwissen und das Unbewusste - philosophisch-psychoanalytische Betrachtungen
„Ich weiß, dass ich nichts weiß“. So eröffnet Sokrates in seinen aporetischen Dialogen die Epoche der klassischen griechischen Philosophie und charakterisiert im Symposion Platons die gesamte Philosophie, schon von ihrem Namen her, als ein liebendes Suchen der Weisheit und damit auch als ein Wissen um das eigene Nichtwissen. Die Problematik des Nichtwissens ist insofern der Philosophie als Hauptfrage schon zu ihrem Beginn in ihren Namen gelegt und wurde von ihr in ihrer Geschichte stets von Neuem thematisiert.
Aber nicht nur für die Philosophie bildet das Wissen um das Nichtwissen ein, wenn nicht sogar das Zentrum ihrer Selbstverständigung; ein Gleiches gilt für die Psychoanalyse, denn auch die freudsche Analyse zielt im Kern auf das Nichtgewusste und ist sich dabei ihres eigenen Nichtwissens hochbewusst. Im psychoanalytischen Kontext zeigt hierbei der Begriff des Nichtwissens neue konzeptuelle Facetten. In Form der Unbewusstheit oder des Unbewussten bildet es den Kern der Psychoanalyse, sowohl als einer psychologischen Theorie wie als eines psychotherapeutischen Verfahrens.
Hilmar Schmiedl-Neuburg ist einer der beiden Direktoren des Instituts für Philosophie, Psychoanalyse und Kulturwissenschaften. Er lehrt als Privatdozent am Philosophisches Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und am Department of Philosophy der University of Massachusetts Boston, sowie als Dozent am John-Rittmeister-Institut für Psychoanalyse, Kiel. Zu seinen beruflichen Stationen gehören Vertretungsprofessuren, Gastdozenturen und Fellowships in Kiel, Hamburg, Wien, Prag und Harvard. Seine Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen in der Deutschen und Französischen Theoretischen Philosophie des 19.-20. Jh., der Kulturphilosophie und Existenzphilosophie, der Antiken und der Asiatischen Philosophie, sowie auf dem Verhältnis von Philosophie und Psychoanalyse.
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21. 11. 2022
19:30 – 21:00, online
Ludwig Janus und Lutz Götzmann
Das Reale und das Pränatale
Das Reale ist eine Vorstellung über eine psychische Dimension, welche Lacan u.a. in seinen späten Werken beschäftigte. Das Reale ist das Nicht-Repräsentierte, das dennoch gegenwärtig ist, obwohl wir kein Wissen darüber haben. In seinem Vortrag wird Lutz Götzmann eine epistemologische Sichtweise des Realen darlegen und Bezüge zum Phänomenalen des Körperlichen herstellen, also zu den ersten, noch ungedachten, jedoch gefühlten Gedanken. Ludwig Janus wird über das prä- und perinatale Erben des Kindes sprechen, das sich ebenfalls durch die Qualität des „Nicht-Repräsentierten“ charakterisieren lässt. Darum lassen sich Erfahrungen aus dieser Zeit nicht „erinnern“, aber sie können, wie schon Otto Rank feststellt hat, als „Vergegenwärtigungen“ präsent sein. Wir hoffen auf eine lebhafte Diskussion über das Reale und Pränatale, die wir mit den beiden Kurz-Vorträgen anstossen möchten.
Ludwig Janus, Jg. 1939, Dr. med., Facharzt für Psychotherapie in eigener Praxis in Dossenheim bei Heidelberg; Psychohistoriker, Pränatalpsychologe und Ausbilder in der Förderung der vorgeburtlichen Mutter-Kind-Beziehung: www.Ludwig-Janus.de. Leiter des Instituts für Pränatale Psychologie und Medizin, www.praenatalpsychologie; www.geburtserfahrung.de. Korrespondenzadresse: Dr. med. Ludwig Janus, Jahnstr. 46, 69221 Dossenheim; Tel. 06221 801650;
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. (Foto: Privatbesitz)
Lutz Götzmann, Prof. Dr. med. Psychoanalytiker (SGPsa / IPV), tätig in eigener psychoanalytischer Praxis in Berlin. - Studium der Medizin in Homburg / Saar, psychoanalytische Ausbildung am Freud-Institut Zürich und Habilitation am Universitätsspital Zürich. 2011 – 2020 Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Bad Segeberg, seit 2014 APL-Professur an der Universität zu Lübeck. Mitbegründer des Instituts für Philosophie, Psychoanalyse und Kulturwissenschaften (IPPK) und Mitherausgeber der Zeitschrift „Y – Zeitschrift für Atopisches Denken“. Zahlreiche Publikationen zur psychoanalytischen Psychosomatik.
(Foto: Privatbesitz)
24. 10. 2022
19:30 – 21:00, online
Yiling Liu, Berlin
Slow psychoanalysis is helpful for fast developing China
In diesem Vortrag wird Yiling Liu einen Einblick in die Rolle der Psychoanalyse in China geben. Hierbei wird sowohl das klinische Verständnis der Psychoanalyse aus chinesischer Sicht, wie auch ihr Verhältnis zu Gesellschaft und Kultur zur Sprache kommen. Der Vortrag findet auf Englisch statt.
Yiling Liu: "Psychoanalysis facilitates inner freedom. First, psychoanalysts need to feel free, then they are able to help their patients to express themselves freely, to approach the way in their hearts. Therefore, society needs to be organized in a democratic system, people sitting in a round table. While China has a long history of one party, and while the people are really emotional. There will be a long way for psychoanalysis to be successful in China. And the culture encounters are really interesting."
Yiling Liu. Psychoanalytikerin (IPA-Direktmitglied) tätig in eigener Praxis 2014-2022, Publizistin, Lehrerin. Mitglied/Schatzmeisterin im China Committee der IPA, 2015-2020, Psychological Counsellor, Beijing University of Technology, 2004-2014, National Registered Clinical Psychologist, Chinese Psychological Society, 2007 – 2014, Master of Educational Psychology, Beijing University of Technology, 2001--2004
(Foto: Privatbesitz)
19. 9. 2022
19:30 – 21:00, online
Almut Rudolf-Petersen, Hamburg
Geschlecht kursiv.
Psychoanalytische Behandlungspraxis im Laufe der Zeit
Lange galt es in psychoanalytischen Falldiskussionen als Zeichen der Reifung der Persönlichkeit, wenn eine Patientin im Laufe der Behandlung zu ihrer Weiblichkeit fand, und das wiederum ihrer anatomischen, endokrinologischen und genetischen körperlichen Verfassung entsprach. Gleiches galt für den Patienten und seine Männlichkeit. Dieser als positiv betrachtete Ausgang einer Analyse fußt auf metapsychologischen Theorien, in denen Binarität (z.B. die von Mann und Frau) eine wichtige Rolle spielt. Das Ersetzungsverhältnis von Identifikation und Begehren ist ein solche theoretische Annahme: Ich kann nur das begehren, auf das zu sein ich verzichtet habe. Auch das inzwischen klassisch zu nennende ‚Schichtenmodell‘ – die Kerngeschlechtsidentität, im Laufe der kindlichen Entwicklung dann ummantelt von der Geschlechtsrollenidentität und später von der sexuellen Orientierung -, ist binär aufgebaut, wobei der Kern der Kerngeschlechtsidentität (sex im Sinne der somatischen Hardware) bei genauerem Hinsehen allerdings nicht unbedingt und immer in das Schema Frau-Mann passt, wie z.B. bei manchen intergeschlechtlichen Personen. Sehr häufig greifen wir explizit oder implizit in Behandlungssituationen auf dieses binär angelegte und klinisch sehr handliche Modell zurück.
Wenn psychoanalytische Theorien in den letzten Jahren vermehrt auf queertheoretisches Denken wie z.B. das von Judith Butler treffen, das wiederum von der Psychoanalyse beeinflusst wurde, und wenn dieses Aufeinandertreffen in die Behandlungspraxis hineinwirkt und sozusagen hinter die Couch gelangt – verändern sich dann die Vorstellungen von Geschlecht und Begehren, von psychischer Reife und von förderlichen Behandlungsprozessen und -ergebnissen? Dieser Frage möchte ich anhand meiner eigenen Arbeit als Psychoanalytikerin nachgehen.
Almut Rudolf-Petersen, niedergelassen in eigener Praxis, ist seit vielen Jahren Dozentin und Lehranalytikerin am Hamburger DPG-Institut, an dem sie auch ihre Weiterbildung zur Psychoanalytikerin absolviert hat. Ihr Interesse gilt den Schnittstellen von Psychoanalyse und Queer Theory.
Veröffentlichungen: Feministisches aus dem Werkblatt: Gibt es in der Psychoanalyse einen Lesbischen Komplex? Werkblatt 73/2. 2014 ; WARUM und/oder WIE – Unterschiedliche psychoanalytische Konzepte weiblicher Homosexualität. Journal für Psychoanalyse. 2016. DOI: https://doi.org/10.18754/jfp.57.11 ; Abschied von der Ursache. Zeitgenössische psychoanalytische Arbeiten zu weiblicher Homosexualität. Forum der Psychoanalyse Heft 2017/1 ; Neue Übertragungskonstellationen. In: Queering Psychoanalysis. Hutfless, E. & Zach, B. (2017) (Hrsg.). Wien: Zaglossus ; Intergeschlechtlichkeit, Mehrdeutigkeit, Queer Thinking. Psychoanalytische Überlegungen. In: Schweizer, K. & Vogler, F. (2018) (Hrsg.): Die Schönheiten des Geschlechts. Intersex im Dialog. Frankfurt-New York (Campus Verlag) ; Homosexualität in der Psychoanalyse. In: Baumann et al (2020) (Hrsg.). Wenn Zeit nicht alle Wunden heilt. Trauma und Transformation. Stuttgart (Klett Cotta) ; »Nicht einmal ›butch‹ wird hier richtig ausgesprochen!«. Überlegungen zu lesbischer Sexualität im psychoanalytischen Diskurs. In: Henze-Lindhorst et al (2021) (Hrsg): Das Lärmen des Begehrens. Psychosozial Verlag ; »Identitätskategorien machen mich immer nervös«. Psychoanalytische und queertheoretischen Überlegungen zu homosexuellem Begehren. In: A. Sadjiroen et al (2022) (Hrsg): Lieben. Psychosozial Verlag.
(Foto: Privatbesitz)
22. 8. 2022
19:30 – 21:00, online
Robert König, Wien
Eine Phänomenologie der Namen - Über die philosophische Etymologie
Seit Platon, der den Eintritt in die Philosophie nicht zuletzt mit der erstaunten Frage nach der "Richtigkeit der Namen" benennt, steht die sog. Etymologie immer wieder in der Debatte. Etymologie als die Lehre von der Herkunft und Richtigkeit der Namen wurde dabei geistesgeschichtlich sowohl auf den Extrempol einer Scheinwissenschaft und eines bloß relativistischen Wortgeplänkels als auch auf den Pol einer sprachlichen Fundamentalbegegnung der Erfahrungswelt verlegt. Gleich, welche Position man auch beziehen mag, die Rolle des Benennungsaktes und des Namengebens scheint jedenfalls immerzu auch im Verhältnis zur Erfahrungsrealität des Menschen zu stehen. Das Namengeben spielt jedenfalls anhaltend etwa in diversen Therapiesettings, in politischen Zusammenhängen oder in religiösen Dimensionen eine zentrale Rolle im Widerspiel mit der Erlebniswirklichkeit von Menschen. Stets soll zumindest versucht werden, zu benennen, was eigentlich geschieht und vielleicht noch keinen Namen hat. Der Vortrag erkundet direkt an einzelnen Phänomenen die vielfältigen Dimensionen der Namen, hebt die innige Beziehung von
Sprache, Erfahrung, Raumzeit und Körper sowie deren Therapiepotenzial hervor. Er warnt dabei zugleich vor den Konsequenzen einer abstrakten Abtrennung des Sprechens von dieser Innigkeit zu einem bloß instrumental verstandenen "Sprechen-über".
Robert König ist Philosoph und lehrt und forscht an der Universität Wien an den Fakultäten für Philosophie und für Theologie. Er hat Philosophie, Theologie, Geschichte und klassische Philologie an der Universität Wien studiert und hält ein Doktorat der Philosophie. Außerdem betreibt er mehrere außeruniversitäre Bildungskreise, ist vielfältig als Vortragender tätig und lehrt an mehreren Schulen, Hochschulen und in der Erwachsenenbildung. Zu seinen Publikationen zählen: Interimsliebe. Die Einheit von Syllogistik, Dialektik und Mystik, 2021; Schlusslogische Letztbegründung, Hrsg. gemeinsam mit Lois Marie Rendl, 2020; Logik + Mystik, 2 Bände, 2019; Die Wissenschaft der Idee. Platons Grundlegung der Philosophie im Dialog Parmenides, 2016; Religion und Kapitalismus, Hrsg. 2014. www.robert-koenig.net und www.youtube.com/robertkng
(Foto: Privatbesitz)
4. 7. 2022
19:30 – 21:00, online
Ute Hensel, Hamburg
Der Kleinianische Kosmos – Abbild innerer Welten oder Projektion?
Die Ideen Melanie Kleins zählen zu den wichtigsten, wohl aber auch umstrittensten in der psychoanalytischen Theoriebildung. Schon zu ihrer Zeit sind die Kontroversen darum ähnlich heftig ausgetragen worden, wie es in den von ihr vermuteten kindlichen Phantasien zugeht. Die Britische Psychoanalytische Gesellschaft, der sie seit 1929 angehörte, wäre daran beinahe zerbrochen. Aber selbst schärfste Kritiker der Kleinianischen Perspektive räumen ein, dass es Patienten gibt, bei denen sich die verstörende Sichtweise der inneren kindlichen Phantasiewelt und die in Kleins Lesart daraus resultierenden Entwicklungshemmnisse und Schwierigkeiten im Erwachsenenleben geradezu aufdrängen.
Was aber, wenn es sich bei den bisweilen recht drastisch-plastisch anmutenden Schilderungen kindlicher Phantasien (auch) um Projektionen aus der emotionalen Welt der Erwachsenen dreht? Was, wenn Abwehrprozesse der Spaltung und projektiven Identifizierung gegenüber den Kindern zum Tragen kommen? Verschiedene Anzeichen im Umgang mit Kindern und in der Sichtweise von Kindheit lassen Vermutungen in diese Richtung zu. Da ist mal von unschuldigen Kindern die Rede, mal wird ihnen absichtsvolles Tyrannentum zugeschrieben. Und viele Gründungsmythen kennen das Kindsopfer in verschiedensten Varianten. Wir müssten uns wohl angesichts dieser kulturellen Gegebenheiten, aber auch immer wieder festzustellenden Grausamkeiten, die an Kindern begangen werden, mit unerhörten, bedrohlichen Fragen beschäftigen, etwa der nach keinesfalls unhinterfragbarer Mutter- und Vaterliebe.
Und schließlich kommt vielleicht auch zum Tragen, dass auch Melanie Kleins Biografie recht schwierig verlief. Als viertes Kind von ihrer Mutter wahrscheinlich nicht mehr wirklich erwünscht, wurde sie offenbar nach dem Tod der 4 Jahre älteren Schwester zu deren Platzhalterin. Auch als Erwachsene scheint sich die Mutter ihrer bemächtigt zu haben. Melanie Klein litt unter jahrelangen Depressionen und konnte sich im Grunde erst nach dem Tod der Mutter freier entfalten. Verweist also die Theorie Melanie Kleins letztlich auch auf sie selbst bzw. ihr eigenes Ausgeliefert-sein und damit empfundene heftige Affekte?
Ute Hensel, Psychotherapeutin. Diplom der Psychologie: Universität Hamburg (Deutschland). Ausbildung Tiefenpsychologisch fundierte und Analytische Psychotherapie und Approbation als psychologische Psychotherapeutin. Eintragung im Facharztregister: Fachkunde für Tiefenpsychologisch fundierte und Analytische Psychotherapie. Lehrtherapeutin und Supervisorin für Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP) und Analytische Psychotherapie (AP), anerkannt von der Ärztekammer Hamburg. Lehranalytikerin nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V. Weiterbildung Gruppenleitung und Gruppenanalyse sowie Supervision und Teamentwicklung.
(Foto: Privatbesitz)
20. 6. 2022
19:30 – 21:00, online
Ole Kliemann, Kiel
Narzissmus, Zoom und Intersubjektivität
Den meisten ist die Erschöpfung vertraut: Nach einem langen Tag voller Online-Sitzungen verwandeln wir uns in "Zoombies". Aber weshalb ist die Kommunikation via Zoom anstrengender als das Gespräch von Angesicht zu Angesicht?
Dieser Vortrag möchte die These aufstellen, dass die permanente Konfrontation mit unserem eigenen Bild der Kern des Problems ist. Dabei soll zunächst mit Lacan untersucht werden, welche Verführung von unserem Bild ausgeht und weshalb es uns so schwerfällt, es einfach abzuschalten. In einem zweiten Schritt wird dann mit Bion argumentiert, dass der dauerhafte Anblick des eigenen Bildes die Arbeit der Alpha-Funktion erschwert und so zu einer größeren Erschöpfung beiträgt. Abschließend wird dies in einen größeren philosophischen Kontext eingeordnet: Die Konstitution von Wissen und -- existenzphilosophisch gesprochen -- die Assimilation des Geschehens sind Funktionen der Intersubjektivität. Daher ist die Leistung dieser Funktionen abhängig von dem Medium, in dem sich die Intersubjektivität verwirklicht.
Ole Kliemann, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Philosophischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Nach einem Studium der Philosophie, Mathematik und Informatik wurde er dort promoviert mit einer Arbeit über Nietzsche und Merleau-Ponty. Heute forscht er zu Digitalisierung und Psychoanalyse.
(Foto: Privatbesitz)
2. 5. 2022
19:30 – 21:00, online
Cornelius Borck, Lübeck
Das Zeiterleben als Schlüssel der Psychopathologie – oder selbst ein Zeitphänomen?
Zur Karriere von Viktor Emil von Gebsattel als Deuter des Zeiterlebens
Bei psychischen Störungen wie Neurasthenie oder Burnout drängt sich der Eindruck auf, dass sie das Kehrbild überzogener gesellschaftlicher Anforderungen sind. Die Psychopathologie der Zeit ging noch einen Schritt weiter und formulierte die These, dass die Erfahrung von Zeit so aus den Fugen geraten könne, dass sich von dort her psychiatrische Krankheitsbilder erschließen ließen. Ihre Blütezeit erlebte diese psychiatrisch-philosophische Psychopathologie in der Zwischenkriegszeit. Prominente Vertreter lebten (wie Ludwig Binswanger) von vornherein im Ausland oder wurden in die Emigration getrieben (wie Erwin Straus und Eugène Minkowski), Viktor Emil von Gebsattel hingegen blieb während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und machte noch in hohem Alter akademische Karriere als erster Professor für Psychotherapie und Medizinische Psychologie. Der Vortrag will seine psychiatrische Theorie nur knapp vorstellen und sich auf die Frage konzentrieren, welche Deutungsangebote Gebsattels philosophische Psychiatrie und Anthropologie bereitstellte.
Cornelius Borck, Prof. Dr. med., PhD, MA phil, leitet seit 2007 das Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung der Universität zu Lübeck und er ist Sprecher des Zentrums für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck (ZKFL). Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Geschichte der Humanwissenschaften, die Medizinphilosophie und die Historische Epistemologie der Lebenswissenschaften. Neuere Veröffentlichungen: Hans Blumenberg beobachtet. Wissenschaft, Technik, Philosophie (Freiburg 2013), Das psychiatrische Aufschreibesystem (Hg. zus. mit Armin Schäfer, Paderborn 2015), Brainwaves: A Cultural History of Electroencephalography (London 2018), Wahnsinnsgefüge der urbanen Moderne (Weimar 2018), Medizinphilosophie zur Einführung (2. Aufl. Hamburg 2021).
(Foto: Privatbesitz)
14. 3. 2022
19:30 – 21:00, online
Leon S. Brenner, Berlin
Freud’s Three Paradigms of Psychosis
Freud had never provided a fully comprehensive account of psychosis. However, several consistent perspectives of its elaboration can be traced in different papers along the progression of his work. In this talk, Leon Brenner will present three major perspectives through which the psychosis has been elaborated by Freud. The first, presented in his papers “The Neuro-Psychoses of Defense” (1894) and “Further Remarks on the Neurosis-Psychoses of Defense” (1896), describes psychosis as the outcome of the “rejection” of reality. The second, presented in his papers “Psycho-Analytic Notes of an Autobiographical Account of a Case of Paranoia” (1911), “On Narcissism: An Introduction” (1914), and “Repression” (1915), analyzes psychosis in the terms of Freud’s theory of the drive and libido. The third, presented in Freud’s papers “Neurosis and Psychosis” (1924) and “The Loss of Reality in Neurosis and Psychosis” (1924), adapts psychosis to Freud’s second topology.
Dr. Leon S. Brenner is a psychoanalytic theorist and psychological counselor from Berlin. Brenner’s work draws from the Freudian and Lacanian traditions of psychoanalysis, and his interest lies in the understanding of the relationship between culture and psychopathology. His book The Autistic Subject: On the Threshold of Language was published with the Palgrave Lacan Series in 2020. He is a founder of Lacanian Affinities Berlin and Unconscious Berlin and is currently a research fellow at the International Psychoanalytic University Berlin and the Hans Kilian und Lotte Köhler Centrum (KKC).
(Foto: Privatbesitz)
28. 2. 2022
19:30 – 21:00, online
Erik Norman Dzwiza-Ohlsen, Köln
Verstummter Geist, verstummtes Leben? –
Grundzüge einer phänomenologischen Therapeutik demenzieller Erkrankungen
Demenzielle Erkrankungen stellen eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft dar. Dies gilt nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht: So zeigen demenzielle Erkrankungen die Grenzen der modernen Medizin auf und stellen wesentliche Werte des humanen Selbstverständnisses – wie Autonomie, Würde und Vernunft – massiv in Frage. Der Beitrag legt zunächst dar, dass eine phänomenologische Psychopathologie genau die Dimensionen ausloten kann, die typischerweise den Horizont des dominierenden naturalistischen Forschungsparadigma übersteigen: die ganze Person in ihrer lebensweltlichen Einbettung. Im Anschluss an zentrale Autoren einer derart angewandten Phänomenologie zielt der Vortrag darauf, Prinzipien und Grenzen einer phänomenologischen Therapeutik demenzieller Erkrankungen auszuloten. Dabei streift der Beiträge Schlüsselbegriffe wie Leiblichkeit, Expressivität und Responsivität und wirbt abschließend für einen fach- und berufsgruppenübergreifenden Dialog.
Dr. Erik Norman Dzwiza-Ohlsen studierte Philosophie, Psychologie und Theologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Titel der Magisterarbeit „Das Selbst in der Fremde – Die Beschreibung der Gnosis bei Hans Jonas und Hans Blumenberg“). Von 2013 bis 2018 promovierte er an der Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg unter der Betreuung von Karl-Heinz Lembeck, Karl Mertens (beide Würzburg) und Ralf Becker (Koblenz-Landau) (Titel der Dissertation: „Die Horizonte der Lebenswelt: Sprachanalytische Untersuchungen zu Husserls ‚Erster Phänomenologie der Lebenswelt‘“). Nach einem Suhrkamp-Stipendium am DLA (Deutsches Literatur Archiv, Marbach) im 2016 für das Forschungsprojekt „Lebenswelt und Okkasionalität bei Blumenberg und Husserl“ ist er seit 2016 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Thiemo Breyer – zunächst am Research Lab der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne und seit 2022 am Husserl-Archiv der Universität zu Köln. Seit 2021 ist er zudem Research Fellow am Center for Subjectivity Research in Kopenhagen und ist Mitgründer des Arbeitskreises „Transdisziplinäre Demenz- und Alternsforschung“ sowie dem internationalen Netzwerk „Phenomenology of Dementia and Aging“. Seine Forschungsschwerpunkte sind Phänomenologie, Psychopathologie und Philosophische Anthropologie. Derzeit arbeitet er an einer „Phänomenologie demenzieller Erkrankungen“. Mehr Infos finden Sie hier: https://artes.phil-fak.uni-koeln.de/postdoc/personen/dr-erik-norman-dzwiza-ohlsen
(Foto: Privatbesitz)
14. 2. 2022
19:30 – 21:00, online
Katinka Schweizer, Hamburg
weiblich männlich divers
Warum Geschlecht (sich) so schlecht denken lässt
Die psychoanalytische Tradition ist reich an Konzepten für ein postmodernes Verständnis von polymorphen Sexualitäten und multiplen Geschlechtsidentitäten. Gleichzeitig tut sie sich mit der Anerkennung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt schwer. Mutige Patient_innen beklagen das binäre und dichotome Geschlechter-bezogene Denken; häufig dominiert eine konventionelle Blickweise auf mehrdeutige Geschlechter oder Körpererfahrungen die psychoanalytische Praxis. Der Schaden, nicht nur für Angehörige geschlechtlicher Minderheiten, sondern für alle Menschen, ist immens, aber noch nicht ausreichend an-erkannt und benannt. Dem gegenüber stehen die erstaunlichen aktuellen Veränderungen im deutschen Recht, wie die Erweiterung des Personenstandsrechts von 2018 und das Operationsverbot an intergeschlechtlichen Kindern von 2021.
Vor diesem Hintergrund möchte ich mit Ihnen über die Wirkmacht und Hartnäckigkeit des Sexual- und Geschlechtstabus und dessen Folgen für die Fähigkeit zu denken und zu phantasieren nachdenken. Außerdem möchte ich der Frage nachgehen, inwieweit sich diese rechtlichen Errungenschaften unter Bezugnahme auf Honneth als gesellschaftliche Anerkennungsprozesse lesen lassen, und welche Beiträge die psychoanalytische Aufklärung für ein vertieftes Verständnis geschlechtlicher Vielfalt, nicht nur auf individueller Ebene, leisten kann. Die psychoanalytische Tradition ist reich an Konzepten für ein postmodernes Verständnis von polymorphen Sexualitäten und multiplen Geschlechtsidentitäten – gehen wir auf die Suche!
Katinka Schweizer, Prof. Dr.phil., Dipl.-Psych., MSc (Oxon), Tiefenpsychologin (DGPT), Hochschullehrerin, Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie am Department Psychologie der Medical School Hamburg; Sexualwissenschaftlerin/-therapeutin (DGfS, ESSM), Psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin. Studium der Psychologie und Theologie in Tübingen, Landau, Oxford und Hamburg, Promotion und Habilitation an der Universität Hamburg.
Forschungsprojekte und Veröffentlichungen im Bereich psychosoziale Versorgung bei Intersex / VdG; Vielfalt der Geschlechtsentwicklung, Psycho-Sexualität und Moral. Shimon Peres Preis für das Projekt „InterCare& Awareness“. Letzte Buchpublikation (gemeinsam mit Fabian Vogler): Die Schönheiten des Geschlechts. Intersex im Dialog (Frankfurt/M., 2018).
Erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS), Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Vereins Intersexuelle Menschen e.V.
(Foto: Privatbesitz)
10. 1. 2022
19:30 – 21:00, online
Sonja Witte, Berlin
Ware Bilder – Zum Unheimlichen des Unbewussten in der Kulturindustrie
Mit dem Begriff „Kulturindustrie“ sind in der Kritischen Theorie Adornos verschiedene Überlegungen zu kulturellen Prozessen und Phänomen im Kapitalismus verbunden. Dabei geht es u.a. um die Frage, inwiefern das gesellschaftliche Prinzip der Warenförmigkeit in medialen Techniken und Ästhetiken sowie deren Rezeption wirksam ist. Hieran anknüpfend nimmt der Vortrag insbesondere unbewusste Aspekte der Beziehung zwischen Bildern und Subjekten in den Blick – und zwar ausgehend von Freuds Theorie des Unheimlichen. Entlang von Filmmaterial (u.a. aus „Die fabelhafte Welt der Amélie“; F 2001, P. Jeunet) wird der Annahme gefolgt, dass das Unheimliche ein Bereich ist, in dem konflikthafte Konstellationen kulturindustrieller Prozesse für Subjekte in Erscheinung treten können. Im Unheimlichen – so lautet die These – kommen poröse Momente kultureller Vergesellschaftungsprozesse zum Vorschein, in denen sich Ambivalenzen von Schrecken und Lust der Warenförmigkeit geltend machen.
Sonja Witte ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im MA-Studiengang Kulturwissenschaften – Psychoanalyse und Kultur an der International Psychoanalytic University (IPU) Berlin sowie als freiberufliche Referentin und Lehrbeauftragte u.a. an der Universität Bielefeld tätig. Sie promovierte an der Universität Bremen, die Dissertationsschrift „Symptome der Kulturindustrie – Dynamiken des Spiels und des Unheimlichen in Filmtheorien und ästhetischem Material“ ist 2018 im transcript-Verlag erschienen. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Psychoanalytischer Subjekt-, Medien- und Kulturtheorie, Kritischer Theorie und Sexualitäts- und Geschlechterforschung.
(Foto: Privatbesitz)
13. 12. 2021
19:30 – 21:00, online
Hilmar Schmiedl-Neuburg, Boston/Kiel
Atopik und Nomadisches Denken bei Deleuze
Das Nomadische Denken ist für Gilles Deleuze und Félix Guattari eine Form subversiven Denkens, das in seiner Ortlosigkeit und Ungreifbarkeit Hierarchie, Herrschaft und Homogenität in Denken, Subjektivität und Gesellschaft unterläuft. In diesem Vortrag wird diese Nomadologie Deleuzes in ein Gespräch mit anderen Formen nomadisch-atopischen Denkens gebracht und in ihrer Bedeutung für Philosophie, Psychoanalyse und Kulturwissenschaft beleuchtet.
Hilmar Schmiedl-Neuburg ist einer der beiden Direktoren des Instituts für Philosophie, Psychoanalyse und Kulturwissenschaften. Er lehrt als Privatdozent am Philosophisches Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und am Department of Philosophy der University of Massachusetts Boston, sowie als Dozent am John-Rittmeister-Institut für Psychoanalyse, Kiel. Zu seinen beruflichen Stationen gehören Vertretungsprofessuren, Gastdozenturen und Fellowships in Kiel, Hamburg, Wien, Prag und Harvard. Seine Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen in der Deutschen und Französischen Theoretischen Philosophie des 19.-20. Jh., der Kulturphilosophie und Existenzphilosophie, der Antiken und der Asiatischen Philosophie, sowie auf dem Verhältnis von Philosophie und Psychoanalyse.
(Foto Privatbesitz)
22. 11. 2021
19:30 – 21:00, online
Lutz Götzmann, Berlin
Das Reale und das Ereignis in der psychoanalytischen Behandlung
Vor dem Hintergrund eines psychoanalytischen Modell des psychischen Seins, das sich an Hegels bzw. Laplanches Anthropologie orientiert und die Lacan’schen Register des Realen, Imaginären und Symbolischen um das vorsprachliche, bilderlose Phänomenale der Gefühle erweitert, wird die Ereignistheorie Alain Badious in das heutige psychoanalytische Denken eingeführt. Hier geht es um die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit einer Übersetzung von „realen Empfindungen“ in die weiteren Register der psychischen Wirklichkeit, die sich an der Ereignisstätte, d.h. am Rand einer Leere, in Gefühlen, Bildern und Worten aktualisiert. Es wird also versucht, den Status des (traumatisch) Undenkbaren, sei es im Körper, in der passage à l’acte oder in der projektiven Identifizierung ebenso wie den Bruch zur Sprache hin in Hinblick auf die psychoanalytische Klinik zu bestimmen.
Lutz Götzmann, Prof. Dr. med. Psychoanalytiker (SGPsa / IPV), tätig in eigener psychoanalytischer Praxis in Berlin. - Studium der Medizin in Homburg / Saar, psychoanalytische Ausbildung am Freud-Institut Zürich und Habilitation am Universitätsspital Zürich. 2011 – 2020 Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Bad Segeberg, seit 2014 APL-Professur an der Universität zu Lübeck. Mitbegründer des Instituts für Philosophie, Psychoanalyse und Kulturwissenschaften (IPPK) und Mitherausgeber der Zeitschrift „Y – Zeitschrift für Atopisches Denken“. Zahlreiche Publikationen zur psychoanalytischen Psychosomatik.
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18. 10. 2021
19:30 – 21:00, online
Birgit Meyer zum Wischen, Hamburg/Sylt
Warum Laienanalyse?
Der Ort der Analytikerin anhand der Lacanschen Diskursmatheme
Die psychoanalytische Ausbildung in Deutschland ist für Ärzte und Psychologen heute im Wesentlichen an einem medizinischen Modell orientiert, sie richtet sich an der Behandlung von Krankheiten aus. Freud hat vor dieser Entwicklung in seiner Schrift zur Laienanalyse gewarnt, weil durch sie das Besondere psychoanalytischer Forschung und Kur verloren geht. Die Laienanalyse ermöglicht, eine andere Position zur Bildung des Analytikers einzunehmen, als eine medizinische oder psychologische Ausrichtung. Sie regt an, das Objekt der Psychoanalyse genauer zu bestimmen.
Der Vortrag macht Jean Clavreuls Weiterentwicklung der Lacanschen Diskursmatheme für diese Fragen fruchtbar, indem er ausarbeitet, was den medizinischen Diskurs ausmacht, der als Kehrseite des analytischen Diskurses erscheint. Könnten psychoanalytische Institutionen eine Kritik des heute herrschenden Diskurses riskieren, um die Ausbildung wieder als eine psychoanalytische erkennbar werden zu lassen? Darüber können wir nach dem Vortrag diskutieren....
Birgit Meyer zum Wischen, Dr. phil., psa. Praxis in Hamburg und auf Sylt, Studium von Kulturwissenschaft, Philosophie und Sprachwissenschaft in Bonn, Düsseldorf und Berlin, Psychoanalytische Ausbildung in Berlin, Paris und Köln, Mitgründerin der PsyBi Berlin, Ehemalige Salonière des Psychoanalytischen Salons Berlin, Mitherausgeberin von Y.
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20. 9. 2021
19:30 – 21:00, online
Ludwig Janus, Heidelberg
Die Psychodynamik des vorsprachlichen Erlebens in der individuellen und kollektiven Geschichte
Das vorsprachliche Erleben wurde in der Geschichte der Psychoanalyse und Psychotherapie in seiner Eigenbedeutung unterschätzt. Es schien als unbewusst und der frühkindlichen Amnesie verfallen und die Zeit vor der Geburt wurde wesentlich als biologisch geprägt angesehen.
Im Rahmen der „Pränatalen Psychologie“ wurde jedoch die Erlebnisbedeutung vorgeburtlicher, geburtlicher und nachgeburtlicher Erfahrungen in ihrem eigenen Charakter als ein empfindungsnahes traumartiges Erleben erfasst und erforscht und im Rahmen der „Psychohistorie“ wurde die kollektivpsychologische Bedeutung dieses Erlebens für das gesellschaftliche Leben und die kulturellen Gestaltungen erfasst und erforscht, sodass heute ein Überblick über dieses neue Wissen für das Verständnis der individuellen Entwicklung und des gesellschaftlichen Geschehens und der kulturellen Gestaltungen gegeben werden kann.
Ludwig Janus, Jg. 1939, Dr. med., Facharzt für Psychotherapie in eigener Praxis in Dossenheim bei Heidelberg; Psychohistoriker, Pränatalpsychologe und Ausbilder in der Förderung der vorgeburtlichen Mutter-Kind-Beziehung: www.Ludwig-Janus.de. Leiter des Instituts für Pränatale Psychologie und Medizin, www.praenatalpsychologie; www.geburtserfahrung.de. Korrespondenzadresse: Dr. med. Ludwig Janus, Jahnstr. 46, 69221 Dossenheim; Tel. 06221 801650;
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30. 8. 2021
19:30 – 21:00, online
Martin Weimer, Kiel
"Die talmudische Denkweise kann ja nicht plötzlich aus uns verschwunden sein"
Ich schlage eine gruppenanalytische Re-Lektüre der Todestrieb-Hypothese Freuds vor. Ich halte den Antisemitismus für die bedeutendste soziale Repräsentanz dieses Triebes. Daran gemessen fällt das symptomatische Schweigen der Gründer der beiden bedeutendsten gruppenanalytischen Schulen über den Antisemitismus auf. In seinen christlichen Identifizierungen gehörte Bion gewiss zum britischen Establishment, der assimilierte Jude S. H. Foulkes dagegen zu den britischen Außenseitern, was ich an einer beispielhaften Szene zwischen beiden Protagonisten zeigen will.
Die von S. H. Foulkes begründete gruppenanalytische Schule hat dagegen ihre Ursprünge im vorfaschistischen Frankfurter Institut für Sozialforschung. Sie hat bis hinein in die Methodiken der Gruppenexperimente Adornos und anderer zu den faschistischen Identifizierungen dort weiter gewirkt. Ich will abschließend zeigen, dass das von Foulkes geschaffene gruppenanalytische Setting, anders als das von Bion begründete, als eine post-religiöse Realisierung der rabbinisch-jüdischen Tradition gesehen werden kann und daher dafür einsteht, dass Auschwitz nicht das letzte Wort hatte.
Martin Weimer, Theologe, Pastoralpsychologe (DGfP), Gruppenanalytiker (D3G). Langjähriger Leiter des Ev. Beratungszentrums und der Telefonseelsorge Kiel, zahlreiche Publikationen zu pastoralpsychologischen und gruppenanalytischen Themen. http://weimer-gruppenanalytische-praxis.de
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5. 7. 2021
19:30 – 21:00 Uhr, online
Insa Härtel, Berlin
Reibend und/oder reizend: Wie ist das »Zwischen« von Psychoanalyse und Kultur bzw. deren Wissenschaften beschaffen?
In diesem Vortrag möchte ich einen von mir herausgegebenen Band zum möglichen Zusammenspiel der Herangehensweisen vorstellen und den »Übergriff« beleuchten, der sich mit fächerübergreifenden Forschungen dieser Art verbindet. Bei dem Band handelt es sich um: Reibung und Reizung. Psychoanalyse, Kultur und deren Wissenschaft. Textem Verlag, Hamburg 2021.
Insa Härtel, Dr. phil. habil., Professorin für Kulturwissenschaft an der International Psychoanalytic University Berlin (IPU); Schwerpunkte: Psychoanalytische Kunst- und Kulturtheorie, Sexualitäts- und Geschlechterforschung. https://www.ipu-berlin.de/professoren/haertel-insa/
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21. 6. 2021
19:30 – 21:00, online
Marie von Heyl, Berlin
Das ist es! — Das ist es nicht!
Über das Künstler-Begehren bei Jacques Lacan und Roland Barthes
In seinem 19. Seminar … Ou Pire / … Oder Schlimmer formuliert Jacques Lacan eine Anti-Wittgenstein’sche These: es sei zwar korrekt, dass die Sprache nicht alles sagen könne, was uns jedoch nicht davon abhalte, ununterbrochen zu sprechen. Das Unaussprechliche, so Lacan, hat nicht alleine im Mystischen seinen Ort, sondern es zeigt sich mitten in der Sprache, nämlich dort wo sie scheitert, sich verhakt, sich widerspricht. Das stets sein Ziel verfehlende Begehren sei nur auf der Ebene des Anspruchs zu fassen, nämlich dort, wo dieser dem Begehren nicht genügt. Unter den wechselnden Ansprüchen verberge sich die immer gleiche Aussage: “Das ist es nicht”.
Roland Barthes wiederum spricht von Momenten der Erhellung, in denen das Subjekt ein bestimmtes Detail eines Gegenstandes als ein Objekt des Begehrens “wiedererkennt,” was es mit dem affektiven Ausruf “Das ist es!” kundtut. In seiner Vorlesungsreihe Das Neutrum bringt er diese Äußerung mit dem Gefühl der Eingebung in Verbindung: das Denken bricht aus der kausalen Kette aus und springt ins Unbekannte.
Beide Ausrufe, “Das ist es!” (Barthes) und “Das ist es nicht!” (Lacan) beziehen sich auf ein verlorenes oder nie da gewesenes Objekt, das entweder stets verfehlt oder erst in seiner Fremdheit (wieder)erkannt wird. Welche Positionierungen zum Begehren, insbesondere zum Künstler-Begehren, lassen sich in der Gegenüberstellung beider Autoren ablesen? Im Vortrag wird die These formuliert, dass sowohl der Einfall als Wiederkennen des Unbekannten (Das ist es!) als auch das stete Verfehlen des verlorenen Objekts (Das ist es nicht!) die produktive Unruhe des Schaffens antreiben.
Marie von Heyl ist freischaffende Künstlerin und Autorin. Studium der Kunst und Philosophie in Stuttgart, Berlin und London. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit Subjekt-Objekt-Relationen und den produktiven Unzulänglichkeiten von Sprache. Seit Anfang 2020 publiziert sie den Podcast „Eclectic Engineering“ mit Gesprächen zu Kunst, Philosophie, Feminismus und Psychoanalyse.
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17. 5. 2021
19:30 – 21:00, online
Melanie Reichert, Kiel
Jouissance – Resonanzen zwischen Barthes und Kristeva
Für das Denken Roland Barthes wird in den Siebzigerjahren der Topos der Jouissance bedeutsam, der ausgehend von Jacques Lacan durch Julia Kristeva einige Bedeutungsverschiebungen erfahren hat. Der Vortrag öffnet ausgehend davon einen Resonanzraum zwischen Kristeva und Barthes. Anschließend wird die philosophische Systematik einer Erotisierung der Kulturkritik beleuchtet, die Barthes mithilfe des Topos der Jouissance in seinen späten Texten vornimmt.
Melanie Reichert, Dr. phil., ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Philosophischen Seminar der Universität Kiel und Lehrbeauftragte an der Muthesius Kunsthochschule. 2019 wurde sie mit einer Arbeit über Bertolt Brecht, Antonin Artaud und Roland Barthes promoviert. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Kulturphilosophie, Systematik der Kulturkritik sowie Ästhetik und Epistemologie. Momentan arbeitet sie an einem neuen Buchprojekt über Lachen, Gewalt und Spiel. Sie ist Mitbegründerin des Instituts für Philosophie, Psychoanalyse und Kulturwissenschaften (IPPK).
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19. 4. 2021
19:30 – 21:00, online
Michael Meyer zum Wischen, Sylt/Hamburg
Die A(a)-topie des Subjekts bei Lacan als Orientierung der psychoanalytischen Klinik
Lacan hat sich auf den Satz Rimbauds: "Ich ist ein Anderer" bezogen, um die fundamentale Dezentrierung des Subjekts zu unterstreichen, das sich stets an einem anderen Ort findet als an dem, an dem es sich zu befinden glaubt.
Diese Dezentrierung und Exzentrizität, seine grundlegende Exterritorialität, findet sich zum Beispiel in der Spaltung des Subjekts zwischen begehrendem Ich und narzisstisch-imaginären Selbstbild. In der heutigen Klinik ist die Infragestellung der vom Analysanten behaupteten und verteidigten Selbstverortung ein wichtiger Schritt. Seine Verankerung im Diskurs des Anderen spielt eine entscheidende Rolle, wozu das von Genevieve Morel untersuchte "Gesetz der Mutter" gehört. Darüber hinaus ist das Subjekt aber auch vom Objekt a dezentriert, das ihn als immer schon verlorener Rest aus der Ferne heimsucht und zugleich bestimmt. Beide Aspekte - die Entortung durch den großen Anderen und das Objekt a - sind auch für die klinische Praxis äußert hilfreich, da sie ermöglichen, einen Platz des Subjekts in der Kur zu erfinden, der als Sammlungspunkt seiner basalen topischen Zerrissenheit dienen kann.
Michael Meyer zum Wischen, Dr. med., Studium der Humanmedizin und Promotion zur Psychiatriegeschichte in Gießen. Psychoanalytische Ausbildung in Göttingen und Köln, gruppenanalytische Ausbildung in Tiefenbrunn und Köln. Ab 1998 tätig in psychoanalytische Praxen in Köln, Berlin und in Westerland auf Sylt. 2004 bis 2013 psychoanalytischer Bildungsgang in Paris, 2004 Mitgründung des Psychoanalytischen Kollegs, 2011 Gründung der Kölner Akademie für Psychoanalyse Jacques Lacan, 2012 Gründung der Zeitschrift Y. Veröffentlichungen besonders zu Fragen der Psychose und Borderline-Störungen, sowie zu Marguerite Duras und Hilda Doolittle.
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29. 3. 2021
19:30 – 21:00, online
Hilmar Schmiedl-Neuburg, Boston/Kiel
Inauguralvortrag der IPPK-Vortragsreihe:
Die Atopik des Sokrates
Sokrates, der der Philosophie ihren Namen gab und mit seinem Wirken als zentrale Gründungsfigur der Philosophie gilt, erscheint durch seine eingehende Darstellung in den platonischen Dialogen wohlvertraut. Und doch entzieht sich die Figur des Sokrates dem verortenden, einordnenden, begreifenden, verstehenden Zugriff, erscheint als ortlos, ungreifbar, verkehrt, seltsam, atopisch. Dieser Atopik des Sokrates in ihrer Bedeutung für die Philosophie nachzugehen, ist das Anliegen dieses Vortrags.
Hilmar Schmiedl-Neuburg, PD Dr. phil., ist einer der beiden Direktoren des Instituts für Philosophie, Psychoanalyse und Kulturwissenschaften. Er lehrt als Privatdozent am Philosophischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und am Department of Philosophy der University of Massachusetts Boston, sowie als Dozent am John-Rittmeister-Institut für Psychoanalyse, Kiel. Zu seinen beruflichen Stationen gehören Vertretungsprofessuren, Gastdozenturen und Fellowships in Kiel, Hamburg, Wien, Prag und Harvard. Seine Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen in der Deutschen und Französischen Theoretischen Philosophie des 19.-20. Jh., der Kulturphilosophie und Existenzphilosophie, der Antiken und der Asiatischen Philosophie, sowie auf dem Verhältnis von Philosophie und Psychoanalyse.
(Foto Privatbesitz)